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"3, 2, 1 – deins" oder: Sisyphos und die automatische Bietfunktion

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Eine Hommage an alte Zeiten, hier und auf dem Transfermarkt. Eine Priese Nostalgie.

Raus aus dem realen Leben.
Browser starten, Adresszeile angeklickt. "H" tippte er ein, gefolgt von einem "a", Schnellauswahl. "Hattrick.org".
Blick auf die große runde Uhr an der Zimmerwand. 11:48 Uhr. Login.

Endlich würde er sein lang Erspartes opfern, denn dieser Jungspund drüben auf der Transferliste, der hätte es gewiss verdient. Strahlende Augen. Bei Weitem kein kommender Nationalspieler, nein, aber eben auch keine absolute Fumpe. Prächtiges Mittelmaß für einen Trainee seiner Spezies, genau richtig um unentdeckt zu bleiben für viele andere Manager, die auf der Suche nach ihrem Glück allen Nachwuchs mit einem TSI kleiner Tausend als "untrainierbar" erachten.

Erneuter Blick aufs große Rund an der Zimmerwand: 11:49 Uhr. Abgleich mit dem kleinen Rund im Browserfenster, das bei genauerer Betrachtung ganz und gar unrund erschien: 11:49:51 Uhr. Er orientierte sich nach links, "Mein Verein", mitten ins Herz der Menüleiste. Für einen Moment schien es, als würden die Buchstaben pulsieren. Transfers. Er spürte, dass er hier richtig war. Genau jetzt. Ein Klick, und dann präsentierte er sich, in der ganzen Pracht seines Avatars. Der Trainee. Seine Nase war zwar ganz schön groß und stand extrem nach Osten ab, dachte er sich, aber daran sollte die Verpflichtung nun wirklich nicht scheitern.
11:50:09 Uhr. "Gebot für diesen Spieler abgeben" – kein Zögern. Die Zahlentasten wurden nach unten gedrückt und schossen ebenso schnell wieder nach oben.

Nun hieß es drei Minuten warten. Bangen. Und sogar ein wenig zittern. War die Heizung aus? Aber was machte das schon in dieser Situation. Hoffentlich würde niemand das Angebo… Oh. Okay. "Ein anderer Verein erhöht das Gebot für deinen Spieler". - Gar nicht gut. "Das ist mein Spieler, Flossen weg!", grummelte er leise vor sich hin, während er ein erhöhtes Gebot abgab.

Das Gebot war gut. Sehr gut sogar. Wie so oft verlangte ihm allein das Mindestgebot schon einiges ab. Im Transfervergleich fand sich nur ein einziger Spieler, der in den vergangenen Tagen mehr kostete, als dieser es aktuell tun würde. Also hieß es erneut, drei Minu… "Ein anderer Verein erhöht das Gebot für deinen Spieler". Nun gut, das kam jetzt schnell. "Da meint’s wohl jemand ernst", motzte er vor sich hin. Kurz darauf hatte er das Angebot erneut erhöht, begleitet von einem triumphalen "Dem werd‘ ich schon zeigen, wer hier der Chef ist!". "Bieten!". Klick.

Langsam aber sicher kam er an seine Schmerzensgrenze. Wer hätte vorher schon vermutet, dass ein solcher Nachwuchsspieler doch so viel mehr als andere, vergleichbare Spieler kosten wü… – "Ein anderer Verein erhöht das Gebot für deinen Spieler". "Ähh, hallo? Geht's noch? Darf man hier auch mal durchatmen?"
In diesem Moment fiel sein Augenmerk auf das zweite Textfeld, das unmittelbar unter der Gebotszeile positioniert war. "Oder maximales Gebot" und ein kleines "i", hattrick-grün umkreist. Kurze Irritation. "Ach nanu, ja, hmm, stimmt." Automatische Bietfunktion. Verflixt. Das hatte er vollkommen verdrängt. Seine letzten Transferaktivitäten lagen schon einige Zeit zurück.

"Wer braucht sowas auch schon?", brummte er vor sich hin und ergänzte postwendend und in einem Ton, der zu erkennen gab, dass er sich zusammenriss: "Klar, wenn man mal außer Haus ist. Soweit ich mich entsinne darf’s nur für einen Spieler angewendet werden. Aber warum denn ausgerechnet jetzt und warum ausgerechnet hier?!" Ein Hauch von Resignation lag in der Luft. Noch einen Versuch. Leichte Verschuldung inklusive. Gebot erhöhen. Klick. "Ein anderer Verein erhöht das Gebot für deinen Spieler." Ein lauter Knall ertönte. Seine geballte Faust lag plötzlich auf dem Schreibtisch auf. Und das alles für einen mittelmäßigen Trainee. Sein Gesicht lief rot an. Mehr bieten, er musste mehr bieten, es war einfach nicht genug. Jetzt würde die Ablösesumme nicht nur Spitzenreiter im Transfervergleich sein, nein, er würde sich auch noch grenzwertig verschulden. "Bieten!" – "Ein anderer Verein erhöht das Gebot für deinen Spieler". - Logout. Rumms. Sein Stuhl flog nach hinten, er sprang auf. Sein Kopf war inzwischen nicht mehr von dem Dunkelrot seiner Vereinstrikots zu unterscheiden.

Nun stand er da. Auf einmal hörte man wieder das Ticken des Sekundenzeigers an der Wand. Die Heizung war tatsächlich aus. Er rührte sich nicht. Er starrte nur auf das Browserfenster.
Was mochte ihm wohl durch den Kopf gehen? In diesem Moment der Niederlage? Hatte er nicht genug gespart? War der andere einfach ein besser bestückter Verein? Ein Horter? War sein Gegenüber gar ein besserer Manager? Lag es an seiner eigenen Transfertaktik, die vielleicht nicht mehr zeitgemäß war? 11:54 Uhr. Würde er seine lang bewährten Transfermarkttaktiken in Zukunft nicht mehr benötigen? Würde er nie wieder kurz vor Ablauf der Deadline ein Gebot abgeben können, um seinen Gegenüber zur Weißglut zu treiben? Würde er nie wieder Hassmails von seinem Gegenüber erhalten, der ihn zur Aufgabe zwingen will? Und würde er nie wieder ein Gefühl von Zufriedenheit und einen Moment Ruhe nach seinem Gebot verspüren können? Würde er von nun an in ständiger Angst leben müssen, nie wieder auch nur einen einzigen Spieler erwerben zu können?

Ungefähr eine Minute stand er da. Dann zog er den Stuhl wieder heran. Er setzte sich hin. Login. Blick auf die Uhr. 11:55:55 Uhr. Mein Verein. Transfers. Aha, da war er ja. Die Alternative. Zwei B-Skillstufen schlechter, aber immerhin eine ansehnlichere Nase. Klick. "Gebot für diesen Spieler abgeben". "Oder maximales Gebot."

Vielen Dank an alle Leser.