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Hattrick! Mehr als nur ein Produkt - und mehr als nur ein Game?

Der Text befasst sich mit den aktuellen Ankündigungen bezüglich der Preiserhöhung und versucht sowohl die Position der HT-Offiziellen, als auch der User zu beleuchten. Dafür betrachtet er vor allem die besonderen Merkmale Hattricks - und zieht hieraus ein Fazit bezüglich der Legitimität der User-Proteste.

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~~~~~~~~~~~~~~~H~A~T~T~R~I~C~K~~~P~R~E~S~S~~~~~~~~~~~~~~~~~~

Mein Kumpel verlässt Hattrick.
Das tut er Ende November, wenn seine Supporterschaft ausläuft. Und obwohl er begeisterter denn je von dem eigentlichen Spielkonzept ist, tut er dies aufgrund der erneuten Preiserhöhung. Ich weiß, sein Ausscheiden interessiert die Community wahrscheinlich so viel wie der viel zitierte chinesische Sack Reis und auch ich muss zugeben, dass unsere gemeinsamen Aktivitäten bei HT in den letzten Jahre eher nachgelassen haben, aber für mich persönlich bedeutet dies eine Zäsur; das Ende einer langen Zeit – einer schönen Zeit.

Als ich die Nachricht von der Preiserhöhung erfuhr, war ich tatsächlich weder wütend und angesichts der bisherigen Erfahrungen mit den Usern mit dem „HT"-Präfix nicht einmal sonderlich überrascht; ich war einfach nur traurig. Ich befinde mich in der Position, das Mehr-Geld zahlen zu können, bin leider nicht so konsequent wie mein Freund und so HT-süchtig, dass ich wahrscheinlich noch mehr bezahlen würde - v.a. um meinen Zweitverein nicht aufgeben zu müssen. Aber angesichts der Preiserhöhung war mir klar, dass nicht alle diese Entscheidung treffen würden, ja mancher sie schlichtweg nicht treffen kann, da wir mittlerweile von einer Summe reden, die für die Supporterschaft zu zahlen ist, bei der selbst Menschen in Ländern mit einer noch stabilen Volkswirtschaft zu kalkulieren beginnen müssen (von den anderen Ländern und den „generösen“ 25% Rabatt, die sie teils erhalten, wollen wir nicht sprechen). Nachdem es in den letzten Wochen zaghafte Tendenzen hin zu einem Userwachstum gab und man v.a. sehen konnte, mit welcher Euphorie diese Entwicklung in der Community aufgegriffen und durch Zuarbeit (z.B. bei den Mentorenprogrammen) unterstützt wurde, war diese Entscheidung mehr als ein Schlag ins Gesicht.

Wirklich wütend haben mich dann jedoch die Rechtfertigungsversuche von offizieller Seite gemacht und v.a. ein Satz von HT-Matthias, in dem er schreibt, dass eine interne Studie nachgewiesen habe, dass eine Preiserhöhung um 50% lediglich 10% Supporterverlust bedeuten würde („We did a pilot study on a select group of Hattrick users. And it showed that a 50% price increase would lead to 10% fewer Supporters“). Abseits des Umstands, dass solche Kalkulationen doch den faden Beigeschmack hinterlassen, dass man als User nicht mehr ist als eine Geldmaschine, die unter möglichst großer Effizienz laufen muss, bringt dieser Satz für mich zum Ausdruck, dass es den Offiziellen egal zu sein scheint, ob User frustriert das Spiel und damit die Community verlassen - Hauptsache der Saldo stimmt.

Nun begebe ich mich auf dünnes Eis und ich kann die berechtigten Einwände, die man vereinzelt auch in den Foren lesen kann, nicht ignorieren: HT ist nun mal kein soziales Projekt, sondern ein Produkt eines Unternehmens, das logischerweise daran interessiert ist, aus marktwirtschaftlicher Sicht die besten Ergebnisse zu erzielen, was zwangsläufig bedeutet, das Meiste für sich rauszuholen. Ein Verstoß gegen dieses Prinzip könnte aufgrund des Konkurrenzdrucks teils sogar fatale Folgen haben, auch wenn Hattrick in meinen Augen keine Konkurrenz fürchten muss, da es kein vergleichbares Produkt gibt. Viel schwerwiegender ist jedoch der Hinweis, dass angesichts weltweiter Spekulationen mit Nahrungsmitteln, Debatten über Waffenlieferungen an zwielichtige Staaten und anderer Sauereien im Namen des Profitabilitätsdrucks es tatsächlich obszön und unangebracht erscheint, die Moralkeule zu schwingen, wenn ein Nischenbrowsergame seine Beiträge für seine (unter globalen Gesichtspunkten) zum größten Teil finanziell privilegierte Userzahl erhöht.

Aber es muss sich auch unter marktwirtschaftlichen Gesichtspunkten erst einmal zeigen, ob diese Entscheidung nicht letzten Endes kontraproduktiv ist und eventuell dem Spiel, nachdem gerade ein Silberstreifen am Horizont zu sehen war, einen erneuten Knacks versetzt.

Wirklich störend ist jedoch ein anderer, ganz entscheidender Punkt und ich denke, dass dies eben auch der Auslöser dafür ist, dass viele User verständlicherweise so emotional auf diese Preiserhöhung reagieren: Hattrick ist nicht nur ein Fußballmanagergame, sondern wohl eher ein Hybrid aus Fußballsimulation und Social Media. Vielleicht steht Hattrick sogar eher exemplarisch für ein soziales Netzwerk, als die Übermutter, Facebook. Nicht in seinen Dimensionen, sondern qualitativ.

Es mag pathetisch klingen, aber für manchen ist HT ein Stück virtuelle Heimat. Die unpersönliche Anonymität des Internets wird hierbei sogar teils durchbrochen von HT-Treffen und lokalen Stammtischen. Ich habe meiner damaligen Freundin (jetzige Frau, trotz Hattrick!) versucht, die Faszination von HT zu beschreiben; ich musste es zwangsläufig, nachdem ich im Pokalhalbfinale rausgeflogen (natürlich nur wegen Angie und tootal unverdient!^^) und den gesamten restlichen Tag nicht ansprechbar war. Ich habe ihr gesagt, dass sie es sich wie die Schwärmerei für einen realen Verein vorstellen muss, nur mit dem Unterschied, dass man hier nicht nur bloß passiver Fanboy ist, sondern die Fäden selbst in der Hand hat. Und hiermit meine ich nicht nur die eigenen Managerentscheidungen, sondern v.a. die restlichen Aktivitäten in Foren und Föderationen.

Sagte ich „Fäden in der Hand“? Hier beginnt das Problem: Social Networks haben ein Charakteristikum, das zugleich die Grundlage für ihr Geschäft, aber auch für ihr größte Obszönität darstellt. Während früher der Kunde eine Dienstleistung in Anspruch nahm, indem diese von dem Produzenten zur Verfügung gestellt wurde und er für diese bezahlte, wird er mittlerweile bei Facebook & Co. doppelt abserviert: Er ist nicht nur zahlender Konsument (dies gilt auch bei freien Websites durch den Werbungskonsum), sondern auch unbezahlter Produzent. Er arbeitet also an dem Produkt, das er gleichzeitig konsumiert – das perfekte ökonomische Perpetuum Mobile. Das stört mich bei nahezu allen Internetseiten dieser Art so massiv, dass ich den Gebrauch auf ein Minimum reduziere. Aber dort fällt es mir auch leicht, da mir persönlich diese Angebote kaum einen Mehrwert bringen - leider ist das bei HT nicht so einfach. Hier gestalte ich durch viel Zeitinvestition die Seite seit Jahren mit und viele tausende Andere tun es noch wesentlich intensiver; sei es durch die angesprochenen Mentoren-Programme, das Verwalten der NTs, die Entwicklung von CHPP-Produkten usw. – die Liste könnte endlos fortgesetzt werden. Und alle diese Arbeiten erscheinen einzeln für mich so viel wertvoller als die Entwicklungsarbeit von offizieller Seite (mit der die Entscheidung zur Preiserhöhung begründet wird) und dennoch scheint sie in der Wahrnehmung der Community nicht honoriert, sondern durch undurchsichtige und fatal anmutende Entscheidungen, auf welche die Community keinen Einfluss hat, mit Füßen getreten zu werden.

Hier sind wir am Ende wieder bei dem alten Problem: Kann zur Honorierung der Community-Arbeit bei einem marktwirtschaftlichen Unternehmen überhaupt ein Höchstmaß an Transparenz (eventuell sogar Einblick in die Geschäftszahlen) gegeben werden? Können aufgrund der finanziellen Unterstützung von Seiten der User die Partizipationsmöglichkeiten der Community überhaupt soweit ausgeweitet werden, dass diese Maßnahme nicht nur der Optimierung des Produkts und seiner Verkaufszahlen dient, sondern ein Mitspracherecht gewährleistet wird, das eventuell sogar ein Vetorecht beinhaltet?

Das ist tatsächlich viel verlangt, aber immerhin reden wir hier nicht über einen aktiennotierten GlobalPlayer wie Facebook, sondern von einem kleinen, überschaubaren Spiel, das in einem Umfang von seinen Usern getragen wird, für den es für mich im Netz kein vergleichbares Äquivalent gibt. Es wäre schade, wenn dieses einmalige Projekt durch kurzsichtige Profitinteressen vor die Wand gefahren wird.

Angesichts der Einmaligkeit dieses Projekts hätte die Community meiner Meinung nach nicht nur das Recht, sondern v.a. auch das Verweigerungspotential, um auf seine Bedürfnisse und Interessen hinzuweisen und mehr Transparenz und Partizipationsmöglichkeiten einzufordern. Ich bin gerne bereit, nach wie vor Zeit und mehr Geld (im Falle eines Crowdinvesting-Projekts sogar viel mehr Geld) in dieses Produkt zu investieren, wenn das HT-Management nun endlich beweist, dass Sie hinter HT ebenfalls mehr als ein Produkt sehen und zeigt, dass sie nicht wie jedes x-beliebige Unternehmen agieren, indem sie der Einmaligkeit dieses Projektes (und der dahinter stehenden Community) gerecht werden.


2015-04-03 08:20:35, 4896 views

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